Japanische Tees – ein kleiner Überblick

Bevor es für uns nach Kambodscha ging, dachte ich, überall in Asien würde es tollen Tee geben. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellte. In den meisten Ländern Südostasiens ist Teetrinken nämlich gar nicht so angesagt. Oder nicht so, wie man es sich vorstellt. In Kambodscha guten Grüntee zu bekommen, ist jedenfalls nicht einfach. Umso mehr freute ich mich auf unsere Japan-Reise – und wurde nicht enttäuscht: Ungesüßte grüne Eistees in unterschiedlichen Sorten an den Kühlautomaten oder warme Tees to go an den „Wärmautomaten“ (wusste bis dato nicht, dass es sowas überhaupt gibt), traditionelle Teehäuser in kleinen und großen Gärten, die klassischen Matcha (ohne Milch und Zucker) in handgefertigten Schalen servieren und Teelädchen mit langer Geschichte, die die besten Sorten des Landes zum Verkauf und zur Verkostung anbieten. Kurzum: Wir haben das Teelysium erreicht. Tatsächlich haben wir nur einen kleinen Einblick in die Teekultur erhalten, was man eben in rund zwei Wochen während einer Reise aufnehmen kann, dafür einen bleibenden.

Und auch wenn ich täglich Tee trinke, meistens sogar welchen aus Japan (den ich übrigens in Deutschland in Fachgeschäften kaufe und mit nach Kambodscha bringe), kenne ich noch lange nicht alle Sortenunterschiede. Ich arbeite noch darauf hin, dem Tee gänzlich zu verfallen, um dann im betagten Alter über die feinsten Geschmacksnuancen zu fachsimpeln. Bis es jedoch soweit ist, hier erst mal nur ein kleiner Überblick der beliebtesten japanischen Grüntees.

Ganz allgemein: Alle Teesorten gewinnt man aus ein und derselben Teepflanze. Je nach Standort der Plantagen, Beschaffenheit der Erde, dem Zeitpunkt der Ernte und den darauffolgenden Verarbeitungs-Schritten der Teeblätter bzw. Teestiele kommt es zu unterschiedlichen Qualitäten und Geschmacksrichtungen der jeweiligen Sorten. Da in Japan fast ausschließlich Grüntees produziert und konsumiert werden, verarbeitet man die Teeblätter sofort nach der Ernte weiter (und lässt sie nicht zuerst oxidieren, wie es bei schwarzem und Oolong-Tee der Fall ist).


Sencha
Sencha ist der beliebteste Grüntee in Japan und sowas wie ein verlässlicher Alltagstee. Man gewinnt ihn aus Teepflanzen, die auf sonnigen Plantagen gedeihen. Mit fast 80 Prozent ist er zudem in Japan der meist produzierte Tee. Er schmeckt harmonisch (frisch, fein-süßlich und leicht bitter). Als besonders hochwertig und lecker gelten Sorten der Frühjahrsernte. Sie sind qualitativ in etwa vergleichbar mit den First-Flush-Schwarztees. Optisch sehen die gerollten Blätter aus wie dunkelgrüne Nadeln. Wenn du im Geschäft die Möglichkeit hast, den Tee zu inspizieren: Die Farbe (möglichst satt-dunkelgrün) und der Geruch (schön frisch und leicht süßlich) zeugen meist von guter Qualität.

Übrigens: Sencha-Tees der ersten Ernte des Jahres nennt man „Shincha“ (je nach Region erfolgt die Ernte im April oder Mai). Unter Teekennern sind diese Sorten äußerst begehrt und gelangen als Flugware möglichst schnell nach der Produktion in die Fachgeschäfte. Ihr Geschmack ist noch frischer und vollmundiger als der der nachfolgenden Sencha-Ernten.


Gyokuro

Gyokuro bedeutet auf Japanisch „edle Tautropfen“. Neben Matcha gilt die Sorte als hochwertigster japanischer Grüntee. Der wesentliche Unterschied von einem Sencha ist beim Gyokuro, dass er von Teepflanzen gewonnen wird, die vor der Ernte etwa drei Wochen lang mit Bambusmatten beschattet werden. Belohnt wird man mit einem besonders intensiven umami-Geschmack und einem hohen Koffeingehalt des Tees. Wie beim Sencha, werden die Blätter für Gyokuo nadelförmig gerollt und sehen zum Teil sogar noch feiner aus. Anders als bei den anderen japanischen Grüntees, die mit einer Wassertemperatur von ca. 80 Grad aufgegossen werden, genügen beim Gyukuro übrigens schon 60 Grad aus, um sein volles Aroma zu entfalten.

Gyokuro zählt zu den Schattentees, Sencha wird dagegen nicht beschattet. Es gibt auch noch eine Zwischensorte: Kabusecha-Tee, ein „Halbschattentee“ (die Zeit der Beschattung liegt beim Gyokuro etwa bei 20 Tagen vor der Ernte, beim Kabusecha 7-14 Tage vor der Ernte). Geschmacklich ist Kabusecha deshalb auch zwischen Sencha und Gyokuro einzuordnen.


Matcha
Beim Matcha handelt es sich im weitesten Sinn um Gyokuro-Blätter die nach speziellem Verfahren fein zermahlen werden*. Das Ergebnis ist ein intensiv grünes Pulver. Somit ist Matcha, genauso wie Gyokuro ein Schattentee. Da man das Pulver mittrinkt, nimmt man zudem alle Nährstoffe der Pflanze direkt auf, die im Blätteraufguss ansonsten abgemildert werden. Für die traditionelle Zubereitung benötigt man eine weite Matcha-Schale und einen „Chasen“ (kleinen Bambusbesen). Das Pulver wird in der Schale zu 1/3 hoch mit heißem Wasser aufgegossen und mit dem Besen verrührt, sodass eine schaumige Oberfläche entsteht. Zu dem leicht bitteren Tee reicht man in Teehäusern eine kleine Süßigkeit – klassischerweise aus Reismehl und süßer Bohnenpaste (Wagashi oder Mochi).

Übrigens: Je dunkelgrüner das Pulver, umso hochwertiger ist es und umso intensiver der Geschmack. Sehr helle bzw. grün-gelbliche Sorten werden manchmal auch als „Matcha for cooking“ bezeichnet und eignen sich mehr zu Verfeinern von Desserts und Kuchen als zum puren Aufguss. Tatsächlich handelt es sich dabei oft um mindere Qualitäten, die leider auch zu bitter und säuerlich schmecken können. Bei den hochwertigen Aufguss-Matcha-Tees unterscheidet man zudem, je nach Zubereitungsart zwischen „usucha“- und „koicha“-Matcha. Erstere Zubereitungsart ist die „normale“ Version, wogegen man bei der koicha-Zubereitung mehr Matchapulver und weniger Wasser in einer vorgewärmten, trockenen Schale zu einer dickflüssigen Essenz miteinander vereint. Vielleicht etwas vergleichbar mit einem starken Espresso. Für diese extra-starke Matcha-Variante sollte man so hochwertige Teesorten wie möglich verwenden, da andere Qualitäten auf diese Art zubereitet extrem bitter schmecken würden.

*Beim Gyokuro werden die Blätter direkt nach dem Dämpfen fein gerollt und getrocknet. Möchte man aus den Blättern jedoch Matcha gewinnen, rollt man die Blätter nicht, sondern trocknet sie direkt. Anschließend werden sie von feinen Stielen und Blattrippen komplett befreit, nun enthält man feine Blattflocken (Tencha), die man in Japan auch gerne als Würze übers Essen streut. Werden diese Flocken weiter fein zermahlen, erhält man Matcha-Pulver.

Bancha
Bei Bancha-Teesorten handelt es sich um größere bzw. gröbere Blätter, die bei der Sortierung zu Sencha-Tee entfallen. (Für Sencha verwendet man nur die obersten zarten Blätter und Knospen, die sich nach dem Dämpfen besonders fein zusammenrollen lassen). Klingt vielleicht zunächst nach minderer Qualität, tatsächlich gibt es aber sehr spannende Bancha-Sorten, wie den Genmaicha: Hier werden Bancha-Blätter mit gerösteten, gepufften Reiskörnern vermengt. Erinnert im Geschmack etwas an Popcorn. Und dann gibt es noch den in Japan beliebten Hojicha: ein gerösteter Bancha-Tee. Auf unserer Japanreise habe ich ihn zum ersten Mal kennen- und direkt lieben gelernt. Denn anders als die sehr kräftigen, gerösteten Grünteesorten, die ich aus Südostasien kenne, schmeckt ein qualitativ guter Hojicha eher mild und weich und lecker karamellig. Durch die Röstung verliert er zudem viel Koffein, weshalb er auch ein toller Abendtee ist.


Kukicha

Anders als bei den obigen Sorten kommen nicht Teeblätter für Kukicha zum Einsatz, sondern feine Stiele und Blattrippen, die als Beiprodukt bei der Herstellung der anderen Tees entfallen. So gibt es Gyokuro-Kukicha, Sencha-Kukicha oder Bancha-Kukicha, jeweils mit unterschiedlichen Aromen und in unterschiedlichen Qualitäten. Kukicha-Tees der Frühjahrsernten bezeichnet man manchmal als „Karigane“. Sie schmecken besonders weich und süßlich und haben dadurch ihren ganz eigenen Charakter. Ein weiteres Plus: Hochwertige Kukicha- bzw. Karigane-Tees sind preisgünstiger als die Blatt-Tees derselben Qualität. Gegenüber anderen Grünteesorten hat Kukicha einen eher geringen Koffeingehalt.

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